Verfrühte Siegesfeier statt Skandal in Düsseldorf: Eine Einordnung

Da will man einen ruhigen, arbeitsfreien Abend genießen und plötzlich klingelt das Telefon. Ein aufgebrachter Freund guckt das Relegationsspiel in Düsseldorf und will wissen, ob Hertha tatsächlich Chancen auf ein Wiederholungsspiel oder gar die Änderung des Ergebnisses habe. Okay, denke ich, muss ich doch auch mal reinschauen.

Schon nach wenigen Minuten bin ich froh, nicht nur den Ton sondern auch das Bild zur Verfügung zu haben. ARD-Kommentator Tom Bartels stammelt sein "Unfassbar" ins Mikrofon, Experte Mehmet Scholl hat Angst um die Kinder auf dem Platz, im weiteren Verlauf geht es auch im "Absprachen" zwischen "Hooligans", auf genaue Bezeichnungen kommt es im Sensationsjournalismus ja nicht unbedingt an.

Mir wird aber schnell klar, hier ging es, bei aller Dummheit und Bierseligkeit der Düsseldorfer Fans, um die Freude über den Bundesliga-Aufstieg der Fortuna. Das gab es übrigens schon häufiger, damals galt es aber noch nicht als schick, Siegesfeiern zu Skandalen aufzublähen.

Nach einer ruhigen Nacht – ich habe mir doch tatsächlich keine Sorgen über die Zukunft des Fußballs in Deutschland gemacht – packt mich der Ärger über die einseitige, vermischende und undifferenzierte Berichterstattung. Ein Blick in den Blätterwald lässt eigentlich keine Zweifel aufkommen: Die Bilder in Düsseldorf sind der Gipfel eines Gewaltexzesses, solche Szenen hat es in Deutschland noch nicht gegeben.

Beispiele gefällig? Die Bild-Zeitung will eine Bundesliga-Saison mit 19 Teams. Sport1 spricht von der "Schande von Düsseldorf". Die Welt fordert mit der Schlagzeile "Schluss mit lustig! So darf niemand aufsteigen" eine drastische Bestrafung für die Fortuna, da wirkt die "Schwarmintelligenz" bei 11 Freunde fast ein wenig unbeholfen.

Noch einen deutlichen Schritt weiter ging Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt, der die Interessen seine Mandanten mit allen Mitteln zu verteidigen weiß. Die Polizei habe Spieler und Schiedsrichter aufgefordert, das Spiel nach der Unterbrechung fortzuführen, um ein "Blutbad" zu verhindern. Außerdem sollen die Hertha-Spieler "Todesangst" gehabt haben.

So lässt sich die Forderung nach einer Wiederholung oder mehr natürlich besser untermauern. Dass Chaoten, die es in Düsseldorf ja nicht mal waren, damit eine wunderbare Plattform geliefert wird und die Massenwirkung durch martialische Worte verstärkt wird, mag Herrn Schickhardt nicht interessieren, die Medien sollten aber anders darüber denken.

Apropos "Todesangst": Im Jahr 2012, wo bei einem Fußballspiel in Ägypten über 70 Menschen ums Leben kamen, bei einer verfrühten Aufstiegsfeier solche Worte zu benutzen, halte ich für verantwortungslos. Zumal Sky-Reporter Jan Henkel davon berichtet, dass die Hertha-Spieler in keinster Weise von Angst geplagt waren, sondern Schiedsrichter Wolfgang Stark, der für seine besonnene Reaktion übrigens ein Sonderlob erhalten sollte, massiv bedrängt haben sollen.

Um es zum Abschluss nochmal klarzustellen: Wir von sportal.de heißen in keinster Weise Vorfälle wie in Karlsruhe oder zum Saisonabschluss in Köln gut, wo tatsächlich Chaoten die Oberhand gewinnen, auch wenn wir zum Thema Pyrotechnik eine differenzierte Meinung haben. Die Bundesliga und der deutsche Fußball haben ein Problem und hier müssen Lösungen her. Aber deshalb ist es nicht richtig, jeden Vorfall ohne genaues Hinschauen in die gleiche Schublade zu packen.